Brigitte Hutt - IT-Beraterin und Autorin

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Gott?

Religion – ein Tabu?

Das hier ist keine Studie, ich bin weder Historikerin noch Sozialwissenschaftlerin, aber diese Frage ist mir oft begegnet, und ich habe mir eine Meinung gebildet.

Der Mensch oder besser: die Menschen haben immer ihre Grenzen gespürt, und sie haben eine - uneingestandene - Angst davor gehabt, was die Kräfte jenseits dieser Grenzen ihnen antun könnten. So haben sie einst Mythen zu diesen Kräften geprägt, haben sie personalisiert, haben Rituale ersonnen, mit denen sie meinten, sie günstig stimmen zu können, haben das Opfer ersonnen: Ich gebe dir, was mir wichtig ist, gib du auch mir. Die Urform der Religionsausübung.

Mit der fortschreitenden technischen Entwicklung konnten einige Grenzen überwunden werden oder besser: hinausgeschoben, mit der fortschreitenden gesellschaftlichen Entwicklung wurden auch Religionen differenzierter, es entstand der Ein-Gott-Glaube, der Glaube an eine ultimative Macht, die über uns ist, die uns über ist. Die uneingestandene Angst lauerte im Hintergrund. Lange Zeit blieb die Vorstellung, der jeweilige Herrscher einer Gesellschaft sei von Gott eingesetzt, und man schulde ihm daher absoluten Gehorsam, um Gott milde zu stimmen.

Die Aufklärung, aber noch viel mehr der ungeheure Fortschritt in Wissenschaft und Technik haben die erkennbaren Grenzen des Machbaren weit an den Rand des Bewusstseins gedrängt. Heute scheint den Menschen nichts mehr aufzuhalten. Er herrscht über die Welt, alles ist möglich, Grenzen werden überschritten, und das in jeder Beziehung: technisch, medizinisch, kosmisch, um nur die auffälligsten zu nennen.

Kräfte jenseits? Gibt es nicht mehr. Religion? Ist Privatsache, wird zur Erklärung der Dinge nicht mehr gebraucht. Glaube an eine höhere Macht? Altmodisch, ja, lächerlich. Menschen, die noch an Gott glauben, haben den Puls der Zeit nicht begriffen, stellen sich selbst an den Rand der Gesellschaft, der Vernunftgesellschaft, der Machbarkeitsgesellschaft.

Das ist die eine Seite. Wären die Gläubigen nur altmodisch und lächerlich, könnte man sie lassen, gleich Briefmarkensammlern im Zeitalter elektronischer Kommunikation. Aber da ist noch etwas: das Vielleicht. Das leise Unbehagen aufgrund der noch immer vorhandenen, noch immer uneingestandenen Grenzen. Martin Buber berichtet in den "Erzählungen der Chassidim" die folgende Begebenheit: Zu dem überaus klugen und deshalb weithin berühmten Berditschewer Rabbi kommt ein Mensch, der nur der "Aufklärer" heißt, und er will dem frommen Gelehrten beweisen, dass sein Glaube jeglichen Grundes entbehre. Der Rabbi bestätigt, dass er seinen Gott und seinen Glauben nicht beweisen kann, aber er gibt gelassen zu bedenken: "Vielleicht ist es wahr." Und der Aufklärer wird schier erschlagen von diesem "Vielleicht", nicht, weil es so eine besondere Erkenntnis ist, sondern weil es in unser aller Bewusstsein lauert. Vielleicht ist es wahr. Vielleicht gibt es doch mehr, als wir uns in unseren kühnsten Träumen vorstellen und mit unseren weitest gehenden Forschungen nachweisen können - das wäre unerträglich. Also machen wir es wie die Menschen der Vorzeit: Wir blenden es aus, belegen es mit einem Tabu.

Vielleicht ist es wahr. Vielleicht ist die Ideologie der grenzenlosen Machbarkeit – Illusion.

© Brigitte Hutt 2018

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